Musik in der Grundschule – Ausgabe 4/21 Leseprobe

Musikalische Weihnachtsgeschenke

Meinhard Ansohn

Denken wir noch über den Sinn und die Besonderheiten von Geschenken zu Weihnachten nach? Dann kann vom Musikunterricht der eine oder andere Impuls zu musikalischen Weihnachtsgeschenken ausgehen.

Kind für Mama und Papa

Früher konnte Musikunterricht mehr noch als heute Weihnachtslieder einstudieren, die dann zu Hause als eine Art Live-Geschenk vorgesungen wurden. Das ist heute schwieriger geworden, wo der Liederschatz zurückgedrängt wird.
Eine mögliche Alternative ist das Klassensingen, soweit pandemietechnisch möglich, evtentuell mit kleinster Gruppe im größten Raum der Schule. Wir singen ein Weihnachtslied, das wir mögen und nehmen es gemeinsam auf. Falls es ein Handyverbot gibt, lässt sich das zu Arbeitszwecken kurz aussetzen. Dann kann ausnahmsweise jedes Kind mit einem Handy mit der Sprachaufnahme dieses Singen aufnehmen. Auch nicht schwierig ist eine Aufnahme am Nachmittag von Computer zu Computer denjenigen zuzuschicken, die kein Handy haben.
Für Kinder, die sich in den Vordergrund singen wollen, um zu zeigen, dass genau sie dabei waren, könnten gegebenenfalls Solostellen eingeräumt werden, eine eigene Strophe, um dann die Anpassung an den Klassengesang aushandeln zu können.
Wie dieses Lied – mit Lehrkraft-Begleitung oder Playback gesungen – auf eine CD, einen Stick oder auf den Elternrechner kommt, um zu Weihnachten zu Hause abgespielt werden zu können, wird im Musikunterricht besprochen und gezeigt, sofern die Kinder noch zu wenig Erfahrung damit haben sollten.

Kind für Oma und Opa

Eine von Herzen kommende Weihnachtskarte, wo die Beschenkten noch ein bisschen raten dürfen, ist ein Angebot für eine Kombination aus Musik- und Bastel- oder Kunststunde in der Vorweihnachtszeit. Wir hören Anfänge von Weihnachtsliedern, teils aus dem Unterricht, teils aus der weihnachtlichen Rundumbeschallung und ordnen sie je einer passenden Notenzeile zu. (Die Beispiele hier im Heft sind beliebig erweiterbar und dann anzupassen.)


Die vorbereitete Karte bekommt den Namen der Beschenkten. „Frohe Weihnachten! Liebe …“ Und darunter mit passenden Liedsymbolen den Tonhöhenverlauf des Liedes, das man schenken möchte. Die Symbole können kopiert und ausgeschnitten werden oder besser noch selbst gezeichnet und farbig ausgefüllt werden. Dazu erst einmal vorzeichnen, wie viel Platz gebraucht wird, um den Liedanfang darzustellen. Lange Noten bekommen das Symbol etwas größer, kurze etwas kleiner.

Kind für Kind im Musikunterricht

Die kleinen Rhythmusverse, wenn es sie nicht gäbe! Monatsrhythmen, Tagesverse, zu Bewegung animierende Klatsch- und Satz-Zweizeiler sind kleine Helfer bei der Sicherung vom Spiel im gemeinsamen Puls (Beat, Grundschlag, Metrum). Diese Arbeitsweise mit Sprache-Bodybeat und Instrumenten für das Geschenkethema lässt sich folgendermaßen nutzen:
Lernen der Verse – Mitklopfen auf Körperinstrumenten – Finden von Trommeln oder anderen Perkussionsinstrumenten für das Kreisspiel. Ohne Abstandsregeln wegen Corona wäre es eine gute Basis, um durch den Raum zu gehen und voreinander stehenzubleiben und die Verse zu sagen/spielen. Aber im Herbst und Winter 2021/22 geht es nur im Kreis mit Stühlen im unverrückbaren Abstand.


Ein Kind fragt:
„Hallo, Jusuf (*Name des angesprochenen Kindes), hier bin ich.
Hast du ein Geschenk für mich?“
Jusuf (*oder jedes andere angesprochene Kind) antwortet:
„Ja, ja, ich bin hier.
Diesen Rhythmus schenk‘ ich dir.“
Es folgt ein Solo (im Beat oder frei, kurz oder lang, laut oder leise usw.)
Dann fragt Jusuf*:
„Hallo, Alina*, hier bin ich.
Hast du ein Geschenk für mich?“
Alina* sagt entweder: „Ja, ja …“ oder: „Nein, nein, leider nein, bisschen Übung muss noch sein.“
Und so geht es immer weiter. Wichtig dabei ist, dass wir als Unterrichtende selbst wirklich gern spielen und dass wir diese Rhythmen schon etabliert haben. Für ein durch Solo bestimmtes Geschenk darf das Erstlernen nicht zu lange dauern oder mühsam sein.

 

Ratgebende für Eltern 1: Das schwierige Feld

Alle Jahre wieder, alle Jahre neu, wie auch immer wir’s betrachten, Weihnachten ist zu beachten. Immer wieder muss ich denken, was soll’n wir den Kindern schenken? Neue Lieder, immer wieder? Oder doch ein Telefon? Prepaidkarte? Klingelton? Teddy, Tablet, Tafelkreide, will er nicht? Hat sie schon? Kreativgewuselschaum … Wecker klingelt, aus der Traum!
Die Realität ist einigermaßen kompliziert geworden. Komplizierter noch, als sie vor Jahren war. Nicht nur, dass sich die Kinderwelt weiter zurückgezogen hat in die vorsprachlichen Welten. Dass das Kind heute „schon groß“ sein will und Teilhabe an Erwachsenenkultur einklagt. Dass Luischen die Klamotten von Mama Renate tragen will und Klein-Leon den HipHop von Onkel Ronny cool findet. Was ist da heutzutage „altersangemessen“?
Und es kommen noch zwei große, uns alle betreffende Szenarien dazu: Der Klimawandel lässt sich geschenketechnisch herunterbrechen auf: kein Plastik, nachhaltige Produktion, faire Handelsketten, Ressourcenschonung und Emissionsfreiheit. Das zu den Gegenständen. Und dann ist da noch die sich in vierte bis xte Welle ausdehnende Covid-Pandemie, die keine Prognose zulässt, ob ein Konzert („Ich schenk dir einen Gutschein“), ein Kinobesuch (…Gutschein) oder ein geplantes Wiedersehensfest (…Gutschein) mit den im Urlaub 2018 kennengelernten Freunden stattfinden wird. Das zu den Events.

Ratgebende für Eltern 2: Die kleine Expertise

In einer Schule mit gutem Lehrkraft-Elternverhältnis gibt es selbstverständlich Elternabende mit gemeinsamem Nachdenken über pädagogische Themen. Oder vielleicht sogar noch Klassenfeiern mit Erwachenen-Ecken. Eine Adventsfeier? Oder einen Elternsprechtag, zu dem man gern geht, weil nicht nur über Probleme geredet werden muss?
Bei so einem Anlass im Oktober bis Dezember können auch Musikunterrichtende Beratungen anbieten, was sich als musikalisches Geschenk lohnen würde.
Ein Instrument? Ja, aber Qualität lohnt sich. Plastiktrommeln nein. „Richtige“ Instrumente als besonderes Geschenk lieber etwas teurer und nachhaltig als billiger und Müll. Ein Angebot zum örtlichen Musikladen mitzugehen, gemeinsam einen Online-Katalog anzuschauen oder auf die Musikschule als Ratgeberzentrum hinzuweisen, wären gute Möglichkeiten den Eltern die Wahl zu erleichtern. Kosten: ein bisschen mehr Zeitaufwand. Nutzen: Interesse fördern und damit den Musikunterricht stärken.
Ein Musikstreaming-Abo? Hm! Musik soll für alle da sein, aber diejenigen, die sie produzieren, können vom Streaming nicht leben. Spotify, Deezer, Youtube … nutzen Musik von Urhebern, die centweise mit „Verdienst“ abgespeist werden. Wie wäre es mit einem Gespräch mit den Kindern darüber? Manche Eltern erfahren erst auf Nachfrage, was genau die Lieblingsmusik ihrer Kinder ist. Eine CD, im richtigen Moment unterm Weihnachtsbaum, stärkt Verbindungen zwischen den Schenkenden und bringt noch einen Hauch von Material zum Festhalten ins flüchtige Kulturleben der Familie. (Über „unstoffliche“ Alternativen, die die Weltmüllmenge reduzieren könnten, sollte man extra sprechen, wenn eine bessere Musikerentlohnung gefunden ist.)
Ein Konzertbesuch? Nach den großen Einschränkungen in 2020/21 scheint sich wieder Live-Musik anzubahnen, das unmittelbare Erleben, das in die unmittelbare Begegnung mit Musik machenden Menschen führen kann. Eine Fahrt ins nächste Musicaltheater, zur Oper ins Konzerthaus, zur Rockbühne wo auch immer, das kann ein bleibendes Weihnachtserlebnis werden, wo man die Gemeinsamkeit genauso schenkt wie die Töne, die dann gehört werden.
Eine ganze Kleinigkeit: Ein Musikinstrument in Miniatur als Schlüsselanhänger, für den Schreibtisch, für die Wand oder als Schmuck.
Auf manche kleinen Dinge, die motivierend wirken können, muss man erst mal kommen. Wir dürfen heute nicht übersehen, dass die Unsicherheiten größer geworden sind gegenüber dem Wert der Musik, dem Respekt vor ihrer Entstehung und der Kraft, die ein besonderes musikalisches Erlebnis auf die kindliche Neugier und Freude entfalten kann, bis hin zur Entstehung von eigenen Fantasien, einmal mit der Gitarre selber ganz vorn zu stehen.

Schenken als Liedinhalt 1: Lied vom Schenken (Murmel)

Seit der letzten großen Murmelzeit (Herbst 1998) ist zu Weihnachten das Lied „mit der Murmel“ ein Dauerhit an einigen Schulen. Ob nur im kleinen Rahmen solo gesungen oder „nach der Pandemie“, wann immer das ist, im großen Weihnachtskonzert: Es wirkt, weil der Gegenstand greifbar ist und weil es für direkte Kommunikation steht.

Der Refrain wird Stück für Stück ersungen. Kleine Gesten können unterstützen. Der ausgestreckte Arm für das Schenken, Daumen und Zeigefinger (Ok-Zeichen) für die Murmel und die Hand aufs Herz für das einzige Geschenk. In den Strophen gibt es kleine Rhythmen, die geübt werden müssen, die Synkope bei „alle rennen kaufen“ und die minimale Verzögerung am Schluss der Strophen („für dich“, noch nicht“ usw.).
Für vier Strophen finden wir vier „Patengruppen“, die je eine Strophe perfekt auswendig lernen. Auch in einer Aufführung kann die Aufteilung Gruppe (Strophe) und alle (Refrain) sinnvoll sein. Am Ende nach der Refrainwiederholung den Arm auszustrecken und in der sich öffnenden Hand eine Murmel anzubieten, ist immer wieder ein anrührender Moment.

Schenken als Liedinhalt 2: Ich schenk dir einen Regenbogen

Ich schenk dir einen Regenbogen ist ein Kinderlied, das Erstklässlern vorgesungen werden kann. Es lässt sich auch gut vom Tonträger abspielen, wenn an dunklen Tagen ein Ruhemoment dran ist oder wenn Vorlesen und -singen am Ende einer Lernsequenz ritualisiert sind. Wenn wir das Lied vorsingen – oder notfalls vom Tonträger abspielen – gibt es Zeit und Ruhe, um für die Lieben zu Hause ein Bild zu malen. Anregungen sind im Liedtext genug vorhanden.
Die Version hier hat eine etwas veränderte Schlussstrophe und weist es als zum Schlaflied geeignet aus. In dieser Version passt es gut in den Gebrauchsliederpool der Älteren. Ihre Möglichkeiten, Geld zu verdienen, beginnen oft mit Babysitten und genau dafür braucht man einen attraktiven Pool an Schlafliedern. Auch die Motivation, nicht zu tief zu singen, wird mit dieser Zielrichtung akzeptabel für SechstklässlerInnen.
Die Aufnahme entstand in der Familie Kreusch (Dorothée Kreusch-Jacob gehört in Kita und Schule zu den bedeutendsten LiedermacherInnen) und bringt hier den berühmten Klarinettisten Giora Feidman zu Gehör. Möglicherweise eine gute Gelegenheit, etwas Instrumentenkunde anzuschließen. (Klarinette, Holzblasinstrument, Rohrblatt, Antike, Mozarts Lieblingsinstrument, Holzblasgruppe im Orchester, Klezmer und Balkanmusik …).
Was wir hauptsächlich mit den Schenkliedern schenken, ist Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Das Vorsingen bei den Kleinen, das miteinander Singen mit den Größeren und das Zutrauen, dass sie – wie schön oder schräg auch immer – eine Stimme haben und schon deswegen grundsätzlich musikalisch „begabt“ sind, ist ein unschätzbares Geschenk von Musik Unterrichtenden an ihre SchülerInnen. Zu Weihnachten, aber auch zu jeder Gelegenheit, die sich bietet, sollte Singen eine Option sein, Zeit miteinander zu gestalten. Sie wird eine bereichernde Erinnerung an die Schulzeit bleiben, an die Erwachsene später anknüpfen können.