Coole Musik für heiße Tage
Meinhard Ansohn
Die letzten Sommer waren heiß. Immer gab es einen unverwüstlichen Sommerhit in den Charts, ansonsten das Wehklagen über den Klimawandel. Während wir uns überlegen, ob wir etwas dagegen tun können, haben wir im Musikunterricht die Möglichkeit, etwas Kühlendes für den Kopf zu tun, etwas Cooles zu finden, das ein wenig abseits der üblichen Pfade ab der 3. Klasse gesungen, getanzt, gehört, gespielt werden kann.
Coole Stimmübung: Erdbeereis
Wenn die heißen Tage kommen, helfen kühle Gedanken und manchmal ein Eis. Kalt kommt es aus der Gefriertruhe und kühl schmilzt es im Mund.
Wer sich für gutes Singen vorbereitet, singt sich ein, manchmal mit „technischen Übungen“, manchmal mit spielerischen Übungen. Diese sind oft mit Wörtern aus dem erlebten Umfeld gestaltet und da bietet sich für heiße Tage das Eis an, das wir mögen. Wir sammeln dazu Kärtchen mit unseren Lieblingseis-Wörtern an der Tafel (Vanilleeis, Walnusseis, Stracciatellaeis, Schlumpfeis) und schieben uns die Kärtchen mit den Eissorten des Tages in eine Reihenfolge. Die betonte Silbe wird markiert. Sie ist die, die die neue Tonart bestimmt. Wir singen den Satz immer eine kleine Stufe höher bis wir merken, dass es für heute reicht. Das ist für den Tag schon cool genug. Das „Mm“- summen wir behaglich weich und begleiten es mit einem Handstreichen auf dem Bauch.
Cooles Wort? Cool!
Sind sich eigentlich immer alle einig, wenn etwas „cool“ genannt wird? Die wörtliche Übersetzung von cool ist „kühl“. Manche Menschen strahlen eher Kühle aus als Wärme. Da steht cool für unnahbar, abweisend, frostig, herzlos. Wir benutzen das Wort seit ca. 30 Jahren als englischen Gast in unserer Sprache vor allem für „gut, super, besonders, gefällt mir“. Als „cool“ wurde beim ersten Auftauchen des Wortes in der (jugendlichen) Umgangssprache die Spitze des Guten bezeichnet, die heute eher „krass“, „fett“, „geil“, „mega“, „urst“, „nice“ usw. heißen.
Wer als cool bezeichnet wird, ist aber auch lässig, locker, unabhängig, unaufgeregt.
Es gibt Erwachsene, die sich gegen englische Sprachausdrücke wehren, wenn es auch deutsche Wörter gibt, während andere meinen, besonders jugendnah zu sein, wenn sie von cool, kids oder event sprechen.
„Sagst du cool? Was nennst du cool? Kennst du Musik, die du cool nennst und kannst sie der Klasse vorspielen, z. B. (ausnahmsweise) von deinem Handy oder über den Computer in der Schule?“
Vorsicht, dass es nicht zum Streit kommt, wenn es unterschiedliche Meinungen darüber gibt! Es ist nur ein Wort und jeder hat das Recht, etwas cool zu nennen.
Coole Musik: Cool Jazz
Zu den drei genannten Hauptbedeutungen von cool finden sich auch Musikarten: „kalte“ Musik, „begeisternde“ Musik, „lässige“ Musik. Kalt wird reine Computermusik oft genannt, begeisternd ist immer die Musik, die bei jemandem im Moment am höchsten im Kurs steht. Eher lässig sind entspannte Tanzmusiken, ruhige Songs ohne allzuviel Herzschmerz. Eine ganze Musikrichtung, die sich als Reaktion auf eine vorher sehr „heiße“, hitzige Musik (Bebop) herausbildete, ist der Cool Jazz seit etwa 1950.
Birth of the Cool hieß ein berühmtes Album mit einer neuen coolen Musizierweise, introvertiert, intellektuell, nicht immer kühl, aber manchmal doch. Für Kinder erscheint diese Musik heute weit weg, fremd, nicht so cool. Aber ist es doch möglich, durch Vergleiche etwas von dem nachzuempfinden, was damals cool heißen sollte?
„Hört je einen Ausschnitt von Bird’s Nest (1947) von Charlie Parker (Saxofon, Klavier, Kontrabass, Schlagzeug) und dann Moon Dreams (1957) von Miles Davis (Trompete, kleines Jazz-Orchester: Saxofonen, Horn, Posaune, Tuba, Kontrabass Schlagzeug). Welche Musik ist heiß, welche lässig? Wenn ihr Linien für die Musik zeichnen würdet, wo sind mehr zackige und kurze, wo mehr runde und längere? Welche Musik war hot gemeint, welche cool?“
Cooler Rhythmus: Die Clave
Ganz anders als die coole, etwas abweisende Jazz-Musik von vor 70 Jahren gibt es Stücke, die einen besonderen Rhythmus benutzen, der in Südamerika (Son-)Clave (spanisch: Schlüssel) heißt. Oft wird nur die erste Hälfte als „Halb-Clave“ gespielt und immer wiederholt. Wir können die beiden Rhythmen – Clave und Halb-Clave – gut gebrauchen, wenn wir sie in aktueller Musik wiedererkennen. Beim Musikhören sind wir dann selbst Schlagzeuger auf dem Tisch oder auf Trommeln usw. und lange (langweilige?) Wege zu Bushaltestellen oder wohin auch immer werden weniger langweilig, wenn wir uns mit einem der Rhythmen schnipsend oder sprechend anfeuern. Heißer Rhythmus, coole Sache. Auch zum Limbo-Rock kann man als Zuschauer die ganze Clave gut mitklatschen. Zu neueren Hits wie Dance Monkey, Speechless, Shape of You und vielen anderen gehört immer wieder die Halb-Clave. Probiert’s aus.
Coole Sounds: Wasser
Wassertropfen klingen erfrischend. Das Rauschen von Regen oder das Plätschern eines Baches machen bewusst, wie wichtig Wasser für uns ist. Mit ein wenig Computerbastelei – einer hat sicher zu Hause schon so etwas gemacht – könnte man sich selbst eine Wassermusik erstellen und dann ganz sanft ein paar Instrumente dazu spielen: kleine Becken, Rasseln, Rainmaker, vielleicht sogar leise Töne auf Gitarrensaiten. Das muss gar kein Lied sein, nur ein paar Klänge, die sich an den Klang des Wassers ankuscheln. Für dieses Spiel gibt es hier eine kurze selbst gemachte Wassermusik (mit einer Halb-Clave aus Wassertropfen dabei). Dazu kann gespielt und eigene Wasserklänge mit Eimern und Flaschen live erzeugt werden.
Zu einer Aufführung würde ein Wassermusikplakat mit Wasserfarben gut passen. „Welche Farben wählt ihr dafür aus dem Farbenkreis? Kalte von grün bis violett oder warme von rot bis gelb?“ Und etwas zu trinken muss es natürlich für die Zuschauenden auch geben.
Cooler Komponist: Beethoven
2020 ist Beethovenjahr, ein heißer Beethovensommer sozusagen. Überall wird Musik von ihm gespielt, gesungen, nachinterpretiert und – wie schon immer – erklingen in den Schulen viele Versuche, die ersten Takte Für Elise zu spielen.
Ja, Ludwig van Beethoven war ein cooler Komponist, sicher nicht gefühlskalt, sicherlich auch nicht lässig, locker, aber cool im Sinne von sehr besonders. Wie alle Komponisten in Zeiten vor dem Computer schrieb er aus dem Kopf Musik auf, die ihm einfiel. Wie die meisten Komponisten verbesserte er häufig Stellen, die ihm noch nicht perfekt vorkamen. (Von Mozart sagte man, er hätte alles fehlerfrei aufgeschrieben.) Wie kein anderer der „großen“ Komponisten konnte er seine Musik selbst kaum hören, weil er bis zum 40. Lebensjahr fast vollständig taub wurde und Musik hauptsächlich in seiner Vorstellung erlebte.
Seine dreiteilige (dreisätzige) Klaviersonate Nr. 14 op. 27 Nr. 2 in cis-Moll schrieb er mit 30 Jahren. Er nannte sie Sonata quasi una fantasia, also ein Fantasiestück, denn er schrieb sie ganz anders als sonst diese Klaviersonaten üblich waren. Schnell – langsam schnell, so hätte das zu sein und in mathematisch festgelegten Formen und Tonzusammenhängen.
Seine Fantasie wollte es anders, und heute ist gerade diese Sonate eine der berühmtesten überhaupt, genannt Mondscheinsonate. Wer sie damals hörte, muss wohl ins Träumen gekommen sein und hat der Musik Ideen und Farben zugeschrieben, die Beethoven so wahrscheinlich nicht hatte. Aber die drei Sätze haben alle ihre besonderen Kräfte, denen man auch an heißen Tagen von einem kühlen Platz aus nachspüren kann.
Setz dich an einen Tisch mit einem Blatt und ein paar Stiften vor dir. Male drei große Wolkenumrisse auf dein Blatt und höre dir die Ausschnitte aus den drei Sätzen an. Verteile erst die Wörter aus der obersten Reihe auf die drei Wolken. Dann ordne die nächsten drei Wörter zu usw. bis alle Wolken voll sind. Dann wählst du dir für jede Wolke eine Farbe, die du als Buntstift besitzt und färbst sie ein.
Cooles Lied: Hey, Leute, kommt zum Fest
Die Zeit für Feste im Freien ist gekommen. Schul-, Straßen- und Stadtfeste finden draußen statt, manche alle Jahre wieder. Songs zum Tanzen finden wir immer neu in Radio, Fernsehen, bei Youtube, in den Streamingportalen wie Spotify (jedenfalls so lange es noch Menschen gibt, die sie bei immer weniger Verdienst herstellen).
Coole Partylieder gibt es also mit Sicherheit genug. Wie cool aber ist das denn, wenn wir zum Ausrufen eines Festes mal selbst Ausrufer spielen, wie sie üblich waren, als es keinen Strom, kein Radio, kein Internet gab?
Eine coole Melodie dafür wäre Schiarazula marazula (sprich: Skjarázula marázula) mit gesungenen Ansagen, was auf dem Fest passieren wird. Ursprünglich wurde zu dieser Musik wahrscheinlich nicht gesungen. Sie stammt aus Italien und wurde von Giorgio Mainiero 1578 in Venedig in seinem Buch Il primo libro de‘ balli aufgeschrieben.
Wir singen das Lied als Call-Response-Fassung in den Strophen und gemeinsam im „Refrain“. Ein kleiner Begleitrhythmus mit Handtrommeln und einem Schellenkranz passt gut dazu und ist leicht zu spielen. Eine Aufführung gibt es zum Fest selbst, aber möglicherweise auch im Ort am Tag vorher, indem wir singend und spielend durch den Ort ziehen.
Cooles Tanzspiel: Limbo
„Ich kann nicht tanzen.“, sagen fast so viele Menschen wie die, die „ich kann nicht singen“ sagen. Lara stellte neulich ihr Kuscheltier vor und ließ es sprechen: „Ich bin Elmar und ein Elch und weil ich Beine habe und laufen kann, kann ich auch tanzen.“
„Tanzen ist für Mädchen. Ich mache Sport.“ Das sagen oft Jungen, die die vielen Verbindungen von Sport und Musik nicht kennen oder nicht wahrhaben wollen.
Ein cooles Tanzspiel für alle, die Beine haben und die sich gern sportlich betätigen, ist der Limbo. Auf der Insel Trinidad in der Karibik ist er entstanden, wurde ursprünglich ein paar Tage nach Beerdigungen von Männern getanzt. Dabei neigt man sich nach hinten und bewegt sich ganz geschmeidig (englisch: limber) unter einer Stange hindurch, die von Durchgang zu Durchgang immer tiefer gelegt wird, bis man fast waagrecht hindurchpasst oder aber umfällt. Heute ist Limbo ein Partytanzspiel. Es passt gut auf Schulfeste draußen und regt auch nicht Tanzbegeisterte zum musikalisch-sportlichen Wettkampf an.
Beim Limbo ist immer Musik dabei. Jede bewegungsintensive, „coole“ Musik ist dafür geeignet. Es gibt aber auch traditionelle Limbo-Songs, z. B. den Limbo-Rock von Chubby Checker von 1962, der auch den Twist weltweit bekannt gemacht hatte. Seine Neufassung des Limbo-Rock 40 Jahre später unter dem Namen Chubby C enthält den sehr animierenden Clave, den wir nun schon kennen. Damit kann man sich als Zuschauer sowohl durch Seitschritt hin – Seitschritt her tänzerisch bewegen, als auch den Clave mitklatschen, während man denjenigen zuschaut, die sich unter der von zwei Kindern zuverlässig gehaltenen Leine oder der Stange aus der Turnhalle hindurchschlängeln.
Wenn es sehr heiß ist, ergänzen am besten ein Wasserschlauch und eine Trinkflasche zur Erfrischung das Fest der verschwitzten Limbo-Tanzenden.