Musik in der Grundschule – Ausgabe 1/19 Leseprobe

Instrumente hören und spielen

Meinhard Ansohn

Musikinstrumente sind Werkzeuge, um Musik zu machen. Die Zugänge zu ihnen sind so verschieden wie ihre Nutzungsmöglichkeiten. Einige elementare Tätigkeiten der Erkundung und Wahrnehmung werden in diesem Artikel vorgestellt.

Instrumenten Namen geben

Wir machen einen Namenwettbewerb im Musikraum. Auftrag: „Geht zu zweit zusammen. Beratet euch, welches Musikinstrument ihr interessant findet und ausprobieren wollt. Es ist egal, ob ihr seinen Namen kennt oder nicht. Eure Aufgabe ist, abwechselnd Klänge zu erzeugen und zuzuhören. Probiert alles aus, was ohne Schaden am Instrument möglich ist und was nicht so laut ist, dass ihr alle Anderen stört. Dann denkt euch einen passenden Namen dafür aus, der möglichst aus eurem Klanggefühl kommt. Es kann auch das Aussehen, Größe oder Material sein, das den Namen mitbestimmt. Wir treffen uns in zehn Minuten wieder im Kreis und stellen Instrumente mit ihrem neuen Namen vor.“
Im Kreis werden die Instrumente der Reihe nach vorgespielt, sodass wir alle Klänge einmal gehört haben. Dann nennt das erste Paar den (neu) ausgedachten Namen des Instruments. Je nach Klassenstufe schreibt die Lehrkraft oder ein Kind diesen Namen an Tafel oder Smartboard. Kurze Kommentare sind erlaubt, aber oft nicht unbedingt nötig. Danach kommt die Frage zu jedem Instrument, wer den Namen passend findet. Alle dürfen sich mehrmals melden. Die Top 5 oder Top 3 kommen in die Endausscheidung. Nun darf sich jedes Kind nur einmal dafür melden, welcher Instrumentenname der beste ist. Als Preis gibt es für das Siegerpaar entweder ein Miniinstrument – z. B. ein Rassel-Ei – oder etwas Süßes. Und die Top 5 dürfen ab jetzt im Musikunterricht in dieser Klasse entweder so oder mit richtigem Namen benannt werden.

Unsere Top 5 aus einer 1–3-Schulanfangsklasse im Oktober 2018 waren:
1. Der Morgentau (Bar Chimes, Chime Tree, Mark Tree, Stabglocken): sieben Stimmen
2. Das Klick-Klack-Kluck (Templeblock): sechs Stimmen
3. Die Belly-Welly (Ocean Drum, Sea Drum, Meerestrommel): fünf Stimmen
4. Huba-Huba (E-Piano): vier Stimmen
5. Der Dragon (Surdo, Samba-Basstrommel): drei Stimmen.
Playboy für die Lotosflöte setzte sich hier nicht durch. Das Argument für den Namen, dass ein Junge so gut darauf spielen könne, erregte eher Heiterkeit bei den Anderen.

 

In einer anderen Klasse war der Name „das Huii-Jup“ für die Lotosflöte unter den Top 3.
Diese Stunde fördert die Fantasie und regt dazu an, sich intensiv mit der „Persönlichkeit“ von Instrumenten auseinanderzusetzen. Klang und Aussehen wirken auf die Sinne und die Namensgebung macht die Gegenstände zu unseren. Das Lernen der „richtigen“ Namen und die Einordnungen in Instrumentengruppen ist mit Dingen, die wir vorher selbst benannt haben, kein Problem. Wir werden einfühlsamer für und interessierter an den Bezeichnungen, die Dinge schon haben.

Instrumente durch Umwidmung erfinden

Wir machen eine Instrumentenfabrik auf, in der nichts gebaut, aber viel erfunden wird. Dazu müssen wir nur in unsere Schulmappe schauen und herausfinden, was gut klingt.

 

Wir machen eine Instrumentenfabrik auf, in der nichts gebaut, aber viel erfunden wird. Dazu müssen wir nur in unsere Schulmappe schauen und herausfinden, was gut klingt. Lässt sich ein Rhythmus spielen oder sogar eine Melodie? Gibt es einen besonderen Klang, der dem Gegenstand einen musikalischen Charakter verleiht? Wir probieren und spielen, z. B. unseren Rhythmus des Monats oder den Rhythmus eines Liedes, das wir kennen. Jede Erfinderin und jeder Erfinder darf sein Instrument mit seinem eigenen Namen verbinden. Der Klarinettenbauer Adolphe Sax hat das gemacht, indem er seine Blechklarinette Saxofon genannt hat. Henrich Band hat ein kleines, besonders langes Akkordeon Bandoneon genannt. John Philip Sousa hat eine Riesentuba mit verstellbarem Trichter bauen lassen, die der Instrumentenbauer Pepper dann Sousaphon genannt hat.
Dein Federtaschenreißverschluss z. B. kann dann auch Müllerion, Kücükofon oder Schulzine heißen. Wer seinen eigenen Familiennamen dafür nicht benutzen will, hat noch Möglichkeiten wie Zipp-Ratsche oder Bitzel-Batz oder „was immer dir einfällt“. Reißverschluss geht natürlich auch.
Unsere Instrumente können wir außer in den Rhythmen und Rhythmusspielen aus dem Unterricht oder beim Mitspielen mit Popsongs in einem kleinen Lied unterbringen: Ich hab’ ein Instrument.

 

Hören und Spielweisen einschätzen

Musik ist im Radio, im Fernsehen, im Internet „auf YouTube“, in Kaufhäusern und anderswo. Viel Musik wird heute mit dem Computer erzeugt. Wenige Kinder wissen, womit Musik sonst gemacht wird und seit der Steinzeit immer gemacht wurde. Wenn wir Musik einzelner Instrumente hören, könnten wir einmal versuchen, uns vorzustellen, wie sie gespielt wird. Dazu wäre eine Sammelliste mit Tonerzergungstätigkeiten gut, die wir erstellen. Kinder nennen Verben und wir ergänzen notfalls, wenn es zu wenige sind.
Die Liste sollte enthalten: blasen (oder pusten), streichen, zupfen, schlagen, schütteln, reiben. Alternativ dazu wäre in Schulanfangsklassen, die noch kaum schreiben können, eine Möglichkeit, das Instrument zu zeichnen, das das Kind sich beim Hören vorstellt. Die Form darf ausgedacht werden, aber die Tonerzeugung muss denkbar sein. Das heißt, für ein Blasinstrument muss man eine gerade oder gebogene Röhre sehen, für ein Saiteninstrument wenigstens Saiten, möglichst mit einem verstärkenden Korpus, für ein Fellinstrument eine runde Aufschlagfläche, für ein vermutetes Tasteninstrument auf jeden Fall Tasten usw.
Auf dem Arbeitsblatt dazu ist ein Feld zum Malen und daneben ein Feld zum Aufkleben einer Abbildung des tatsächlich erklingenden Instruments, das die Kinder nach dem ersten Hören und Malen auf einem kopierten Blatt erhalten.

 

Scharade, Luftgitarre und „Playback“

Ganz ohne Papier geht die Einschätzung von Spielweisen über die Scharade oder das „Playback“. Eingebaut in die oben skizzierte Stunde oder als Extra-Musikspiel können wir Musik hören und ein Kind meldet sich, das sich zutraut, die Spielweise des zu hörenden Instruments zu imitieren bzw. live als „LuftmusikerIn“ vor der Klasse aufzutreten. Interessanter, aber auch schwieriger, wird das, wenn wir unterschiedliche Besetzungen hören, z. B. eine fünfköpfige Band (mit möglichst echten Instrumenten, nicht mit Computerimitat). Ein Kind kommt als Schlagzeuger dran, das nächste wählt die E-Gitarre usw. Oftmals halten kleinere Grundschulkinder die Band für komplett, wenn noch eins fehlt: der Bass. Die niedrigen Frequenzen werden von Kindern schwerer als eine eigenständige „Instrumentalität“ im Gesamtklang erkannt. Das lässt sich aber genau mit diesem „Playback“- oder Luftband-Spiel trainieren.
Ein anderes schönes Spiel ist: Welches Instrument spiele ich? Körper- und Handhaltung sollen so sein, dass schnell zu erraten ist, welches Instrument dazu noch fehlt.

Wieviele spielen da?

Eine spielerische Hörübung mit Musikbeispielen ist die „Kleine Würfelei“. Hörbeispiele, bei denen man unterschiedliche Instrumente gut unterscheiden kann, werden dazu vorgespielt und die Kinder malen auf ihrem Arbeitsblatt die Würfel aus. Es ist eine Konzentrationsaufgabe (kurz, aber intensiv zuhören), die mit dem Spielgerät Würfel verknüpft wird.
Die Aufgabe:   „So sehen die Punkte auf einem Würfel aus.
Nun hört ihr verschiedene Musikbeispiele und bekommt hoffentlich heraus, wie viele Instrumente da jeweils miteinander spielen. Für ein bis fünf Instrumente zeichnet ihr die Punkte in den Würfel. Wenn es mehr als fünf sind, zeichnet ihr eine sechs.“ (Genau sechs Instrumente herauszuhören, ist sehr schwierig und es gibt ja so viel Musik mit mehr als sechs Instrumenten. Hier heißt sechs dann mehr als fünf. Ein Hörbeispiel dazu findet sich leicht in der Orchestermusik. Für ein bis fünf sind auf der CD kurze Ausschnitte versammelt.) Lösungsblatt auf der CD-ROM.

Im Musikraum haben wir die Würfelfelder an der Wand verteilt. In einer Spielstunde gibt es dieses Spiel wie bei Eins, zwei oder drei aus dem Fernsehen wieder. In dieser Variante ist es ein Wettspiel: Wer zuerst am richtigen Würfel ist, hat gewonnen. Dafür sollte aber nicht die ganze Klasse losgehen, sondern in kleinen Gruppen nacheinander in den Hörwettstreit treten.

Instrumente sortieren

Ein gut ausgestatteter Musikraum enthält viele unterschiedliche Instrumente. Wir können eine Auswahl davon in einer Musikstunde sortieren lassen. Jedes Kind holt dazu ein Instrument in den Stuhlkreis bzw. sitzt am Klavier, das nicht transportierbar ist. Dann spielen wir erst einmal frei, z. B. mit dem Dirigentenspiel (Dirigent steht in der Mitte, zeigt mit zwei Armen den „Tortenausschnitt“, der spielen soll, vergrößert, verkleinert, bewegt die aktive Spielerauswahl) oder mit einem anderen Spiel, Klassenrhythmus, Drum Circle o. ä.
Nun wollen wir sortieren, dass sich bestimmte Instrumente nebeneinander befinden, sodass man in den Kreisausschnitten andere Klangergebnisse bekommt:
Mal kommen die Instrumente nebeneinander, die ähnlich aussehen. (Spannende Frage: Was ist ähnlich?) Da gruppieren sich dann oft Trommeln, Flöten, Rasseln, Gitarren, also schon Instrumente, die eine Familie nach Klängen bilden (Luftklinger, Saitenklinger, Fellklinger, Holz- und Metallklinger usw.). Es gibt aber auch Ähnlichkeiten zwischen eher unterschiedlichen Instrumenten, die durch diese Sortierung erst auffallen, z. B. das Cajón mit seinem Schallloch trifft dann auf die Gitarre oder die Klanghölzer (Claves) auf die Lototsflöte.
Mal kommen die Instrumente nebeneinander, die gleich gespielt werden. Das bereitet die Klassifizierung nach Spielarten vor. Die Blasinstrumente, Zupf- und Streichinstrumente, Schlag-, Schüttel-, Reibeinstrumente, sofern wir von allem Exemplare im Musikraum haben. Für diese Anbahnung von Erfahrungen mit Werkstattcharakter ist es nützlich, einen kleinen Fundus von Instrumenten aller Art in der Schule zu haben, auch da, wo der musikalische Nährboden für Schulorchester u. ä. nicht so fruchtbar ist.
Und wir sortieren mal nach Größe und mal nach Lautstärke. Sind das dieselben Instrumentennachbarn oder verschiedene? Gibt es kleine Instrumente, die sehr laut klingen und große leisere? Ist groß gleich laut und klein gleich leise? Oder eher groß gleich tief und klein gleich hoch?
Und wir sortieren nach Vielfalt der spielbaren Töne. Hat das Glockenspiel mehr oder weniger Töne als die Stabglocken? Sind verschiedene Klänge (z. B. beim Cajón oder bei der Conga) auch schon verschiedene „Töne“? Diese Fragen führen entweder zu einfachen Antworten für den Moment oder zu intensiverem Musikunterricht.
Jede Sortierung wird mit einem unserer Kreisspiele, Monatsrhythmen, Sprachspielversen gespielt und geübt, vielleicht sogar aufgenommen und dann verglichen.

Instrumente sprechen lassen

Wenn wir die Klänge, Ähnlichkeiten und Unterschiede der Instrumente gut kennen, können wir sie für kleine Charakterszenen auswählen. Vierte oder ältere Klassen mit ein bisschen musikalischer Erfahrung und einer offenen Einstellung zur Improvisation können mit Instrumenten musikalische Szenen in Partnerarbeit erfinden. Für zwei Menschen stehen zwei Instrumente, die „miteinander sprechen“. Gut geeignete Dialoge kommen aus bekannten Lebenszusammenhängen: Mama und Kind reden über die Uhrzeit des Nachhausekommens. Großvater kauft Briefmarken. Kind muss auf kleines Geschwisterkind aufpassen. Freundinnen telefonieren, in welchen Film sie gehen wollen. Auf der Baustelle draußen streiten sich der Chef und ein Arbeiter. Und viele mehr …
Manche Kinder schreiben sich kurz den Verlauf einer Unterhaltung auf und üben sie sprechend. Dann wählen sie Instrumente und spielen Lautstärke und Tempo, gegebenenfalls auch Tonhöhenverläufe nach. Manchmal erleichtern kleine Regeln den Anfang: „Guten Tag“ oder „Hallo“ als Anfangs-„Motiv“ und „Auf Wieder- sehen“ oder „Tschüss“ als Ende.
Die Szenen werden geübt und dann allen vorgespielt ohne den Inhalt zu verraten. Die Zuschauenden beschreiben, was sie gehört haben und vermuten, worum es geht. Die Spielenden verraten, worum es wirklich ging und spielen das Ganze noch einmal. Manches wird nun meistens verständlicher. Es gibt aber auch Tipps, welche anderen Instrumente vielleicht besser geeignet gewesen wären.
Zur Anregung könnte man vorher Musik hören wie Samuel Goldenberg & Shmuyle aus Bilder einer Ausstellung, wo der große einschüchternde Goldenberg dem zitternden Schmuyle begegnet. Interessant, um einen Dialog zu fantasieren, ist auch das Stück Peng! Peng! von Till Brönner und Dieter Ilg. (Welche Instrumente sind denn da wohl im Dialog? Wenn hier zwei miteinander etwas verhandeln, gibt es einen Moment, wo sie sich vertragen und miteinander weitergehen? Sagen sie Tschüss am Ende?) Wer traut sich zu, als Luftduo mal eine Minute mitzuspielen? So kommen wir der eigenen Improvisation näher, ohne Trompete oder Kontrabass spielen können zu müssen.

Zur Qualität des Instrumentalspiels

Musikunterricht schließt aktives Musizieren unbedingt ein. Wo Grundkenntnisse (noch) nicht oder nur in geringem Maße vorhanden sind, erscheint der Umgang mit Instrumenten im Klassenunterricht oft zu kompliziert und wird dann vernachlässigt. Deshalb ist es so wichtig, kleine Schritte zu gehen, bevor man komplexe musikalische Strukturen umsetzen möchte: Mal eine Stunde mit voraussetzungslosem Musizieren, aber viel Material, mal eine Stunde mit experimentellem bzw. forschendem Charakter, mal eine Stunde mit dem Fokus auf die Wahrnehmung mit Auge, Ohr und Fantasie, mal eine Stunde mit dem Fokus auf die körperlichen und materiellen Voraussetzungen für die Entstehung und Erfindung von Instrumenten: Das sind Zutaten, die dem Umgang mit Werkzeug Qualität verleihen, die die Erkenntnis hervorrufen, dass Musik von Menschen mit Hilfe besonderer Werkzeuge gemacht wurde und so auch dazu beitragen, dass die Qualität der Klangkunst besser eingeschätzt werden kann.